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Themenreihe: „Depression und Einsamkeit“

Ende September habe ich im Rahmen der „2. Reichenauer Herbstgespräche“, einem Symposium für Psychotherapie und Psychiatrie, einen Psychodrama-Workshop zum Thema „Depression und Einsamkeit“ gehalten. Ich möchte die Thematik anhand meiner neuen Themenreihe von Oktober bis Dezember auch hier aufgreifen und dafür sensibilisieren, nicht zuletzt, da ein Anstieg von Depressionen bei Jugendlichen in Österreich zu verzeichnen ist („38 % der Burschen und 62 % der Mädchen weisen eine mittelgradige depressive Symptomatik auf“ (Berger, 2024)) und auch Psota (2024) auf „Einsamkeit als größter signifikanter Faktor für Suizidgedanken bei Jugendlichen zwischen 11 und 16 Jahren mit Depression“ verweist.

Herbstblues – Wenn die Tage kürzer werden

Foto von Autumn Mott Rodeheaver auf Unsplash
Foto von Autumn Mott Rodeheaver auf Unsplash

Die Blätter verfärben sich, die Tage werden kürzer, und die Sonne scheint seltener. Für viele Menschen ist der Herbst eine Zeit der Melancholie und Traurigkeit. Doch warum ist das so? Forscher:innen haben herausgefunden, dass der Mangel an Tageslicht eine entscheidende Rolle spielt. Sind wir weniger Licht ausgesetzt, produziert unser Körper mehr Melatonin, das sogenannte Schlafhormon. Das kann dazu führen, dass wir uns müde und antriebslos fühlen.

Gleichzeitig sinkt die Produktion von Serotonin, einem Botenstoff, der unsere Stimmung reguliert. Ein Serotoninmangel kann Symptome wie Niedergeschlagenheit, Reizbarkeit und Ängstlichkeit hervorrufen. Doch nicht nur die biochemischen Prozesse in unserem Körper spielen eine Rolle. Auch psychologische Faktoren können die herbstliche Traurigkeit verstärken. Der Herbst markiert nämlich das Ende des Sommers und damit auch das Ende einer Zeit, die oft mit Urlaub, Entspannung und sozialen Aktivitäten verbunden ist. Der Alltag kehrt zurück, und viele Menschen ziehen sich in ihre vier Wände zurück. Das kann zu Gefühlen der Einsamkeit und Isolation führen.

Foto von Danie Franco auf Unsplash
Foto von Danie Franco auf Unsplash

Doch was können wir tun, um dem Herbstblues entgegenzuwirken? Ein wichtiger Schritt ist es, aktiv zu bleiben und soziale Kontakte zu pflegen. Deshalb sollten wir uns, auch wenn es draußen ungemütlich ist, regelmäßig mit Freund:innen und Familie treffen – sei es zum gemeinsamen Spaziergang oder zu einem gemütlichen Abendessen. Bewegung an der frischen Luft tut nicht nur dem Körper gut, sondern hebt auch die Stimmung. Ebenso wichtig ist es, auf eine ausgewogene Ernährung zu achten. Vitaminreiche Lebensmittel wie Obst und Gemüse sollten nicht zu kurz kommen, um unseren Körper mit genügend Nährstoffen zu versorgen, die uns von innen Antrieb geben.

 

„Mix aus körperlicher Aktivität, Kreativität und sozialem Austausch“

Auch Neuretter (2024) hat auf den 2. Reichenauer Herbsttagen darauf hingewiesen, dass ein „Mix aus körperlicher Aktivität, Kreativität und sozialem Austausch besonders wirkungsvoll gegen depressive Symptome“ sei und nennt als langfristig wirksame Maßnahmen eine „Kombination aus Struktur, Kreativität, Sport und sozialer Interaktion“, die „das Selbstbewusstsein [fördert] und […] Einsamkeit [reduziert]. Bowen-Therapie, Musik und Religion bieten tiefe Entspannung und emotionale Unterstützung.“ Kurzfristige Maßnahmen seien „soziale Kontakte, sportliche Aktivitäten und Naturerlebnisse sowie kleine Genussmomente wie Naschen und Lieblingsessen“ (Neuretter, 2024). Auch Legl (2024), therapeutischer Leiter des „Therapiesalon im Wald“, fasst zusammen: „Wald und Natur erhalten für die Klienten meist einen völlig veränderten Stellenwert; Wald und Bewegung werden als leicht verfügbare psychische Stabilisierungsqualitäten internalisiert; ein in der Therapie erreichter Perspektivenwechsel geht meist in gesamtheitliche Richtung /Innere Erweiterung – Erweiterung des Lebensraums“ (Legl, 2024). 

Foto von Cristina Gottardi auf Unsplash
Foto von Cristina Gottardi auf Unsplash

Rechtzeitig gegensteuern

Halten die Symptome des Herbstblues trotz aller Maßnahmen an und beeinträchtigen die Lebensqualität, ist es ratsam, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Eine Psychotherapie kann dabei helfen, negative Gedankenmuster zu durchbrechen und Strategien zu entwickeln, um besser mit der dunklen Jahreszeit umzugehen. Für weitere praktische Tipps, wie wir uns selbst etwas Gutes tun und auf uns achten können, lesen Sie gern meine Themenreihe aus dem vergangenen Herbst nach: Themenreihe „Körperliche und emotionale Immunbooster“.

Veränderungen unserer Umwelt im Jahreskreislauf

Traurigkeit im Herbst ist jedenfalls keine Schwäche, sondern eine natürliche Reaktion des menschlichen Körpers auf die Veränderungen in unserer Umwelt im Jahreskreislauf. Indem wir uns bewusst machen, was uns guttut und aktiv gegensteuern, können wir die dunkle Jahreszeit meistern und vielleicht sogar schätzen lernen. Denn auch der Herbst hat seine schönen Seiten – man muss nur genau hinsehen, dann ist der Herbst eine Zeit der Farben und der Sinneseindrücke: Die Blätter leuchten in warmen Rot-, Gelb- und Orangetönen und verwandeln die Landschaft in ein Meer aus Farben. Die klare, frische Luft lädt zu ausgedehnten Spaziergängen ein, bei denen man den Duft von feuchter Erde und verwesendem Laub einatmen und die Natur hautnah erleben kann. Der Herbst ist auch eine Zeit der Ernte und des Genusses. Auf den Feldern und in den Gärten reifen Äpfel, Birnen, Kürbisse und andere Früchte, die zu leckeren Gerichten verarbeitet werden können. Ein warmer Apfelkuchen, eine dampfende Kürbissuppe oder ein deftiger Eintopf können die Seele wärmen und für Behaglichkeit sorgen. 

Foto von Aaron Burden auf Unsplash
Foto von Aaron Burden auf Unsplash

Und nicht zuletzt lädt der Herbst dazu ein, innezuhalten und zur Ruhe zu kommen. Werden die Tage kürzer und die Abende länger, ist es Zeit für Kerzenschein, kuschelige Decken und gute Bücher. Es ist eine Zeit der Besinnung und der Einkehr, in der wir Kraft schöpfen und uns auf das Wesentliche konzentrieren können. So sehr der Herbst uns also auch herausfordern mag, birgt er doch auch viele Möglichkeiten für Genuss, Entspannung und persönliches Wachstum. Indem wir uns bewusst auf seine schönen Seiten einlassen und dankbar für die kleinen Freuden des Alltags sind, können wir vielleicht ein Stück weit Frieden und Erfüllung finden – gerade in einer Zeit, die von Dunkelheit und Kälte geprägt ist.


Literatur:

Neuretter, I. (2024): Subjektiv erlebte Veränderung der Stimmungslage während einer stationären Intervention, online: https://drive.google.com/drive/folders/1ZE3C8jr0eiDf3DwMklZBhl3Nu1Sk9P2a

Berger, W. (2024): Depression, Jugendliche, Medien, Selbstdestruktivität, online: https://drive.google.com/drive/folders/1ZE3C8jr0eiDf3DwMklZBhl3Nu1Sk9P2a

 

Legl, Th. (2024): NATURERLEBNIS UND BEWEGUNG IN DER DEPRESSIONSTHERAPIE, online: https://drive.google.com/drive/folders/1ZE3C8jr0eiDf3DwMklZBhl3Nu1Sk9P2a

Psota, G. (2024): Depression und Suizidalität. Online: https://docs.google.com/presentation/d/1LVneQm6TYN5PtuFAvR98JdIGJGnxZORy/edit#slide=id.p1

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Michaela Legl-Bruckdorf, B.A., MSc

Psychotherapeutin 

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