In meiner Tätigkeit als Psychotherapeutin habe ich immer wieder festgestellt, wie wichtig Selbstfürsorge für das eigene Wohlbefinden und die Fähigkeit, anderen zu helfen, ist. Besonders in herausfordernden Zeiten, in denen wir mit Stress, Unsicherheit und Belastungen konfrontiert sind, ist es von großer Bedeutung, auf sich selbst zu achten und für das eigene Wohlbefinden zu sorgen. Meine neue Themenreihe „Selbstfürsorge“ beschäftigt sich im Mai mit Selbstfürsorge im Allgemeinen und praktischen Tipps für einen achtsameren Umgang mit sich selbst. Im Juni stelle ich Anregungen für (mehr) Selbstfürsorge im Alltag zur Verfügung, und im Juli konzentriere ich mich auf Selbstfürsorge und Erholung im Urlaub und weise darauf hin, wie Sie Warnzeichen für zunehmende Überlastung und Überforderung erkennen können.
Selbstfürsorge – Was bedeutet das eigentlich?
Selbstfürsorge umfasst alle Aktivitäten und Maßnahmen, die wir ergreifen, um unsere körperliche, emotionale und mentale Gesundheit zu erhalten und zu verbessern. Es geht darum, uns selbst mit Mitgefühl, Achtsamkeit und Respekt zu begegnen und unsere Bedürfnisse ernst zu nehmen. Selbstfürsorge ist kein Luxus oder Egoismus, sondern eine Notwendigkeit, um langfristig gesund, resilient und leistungsfähig zu bleiben.
Warum ist Selbstfürsorge so wichtig?
1. Prävention von Erschöpfung und Burnout: Wenn wir konstant über unsere Grenzen gehen und unsere eigenen Bedürfnisse vernachlässigen, laufen wir Gefahr, uns erschöpft und ausgebrannt zu fühlen. Langfristig können sowohl unsere mentale als auch unsere körperliche Verfassung darunter leiden und Schaden nehmen. Selbstfürsorge hilft uns, unsere Energiereserven in belastenden Zeiten aufzufüllen und einem Burnout vorzubeugen.
2. Stärkung der emotionalen Widerstandskraft: Durch regelmäßige Selbstfürsorge stärken wir unsere emotionale Widerstandskraft und können besser mit Stress und Herausforderungen umgehen. Wir entwickeln innere Stärke und Stabilität, die uns auch durch schwierige Zeiten tragen.
3. Verbesserung der Lebensqualität: Selbstfürsorge trägt maßgeblich zu einer höheren Lebensqualität bei. Sobald wir uns um unser Wohlbefinden kümmern, fühlen wir uns ausgeglichener, zufriedener und können das Leben bewusster genießen.
4. Fähigkeit, anderen zu helfen: Nur wenn es uns selbst gut geht, sind wir in der Lage, anderen wirklich beizustehen und sie zu unterstützen. Selbstfürsorge ist die Grundlage dafür, emotional verfügbar und einfühlsam für die Bedürfnisse anderer zu sein. In diesem Zusammenhang konstatiert die Psychiaterin Ana Weidenauer „[d]rei Dinge, die eine Psychiaterin nie tun würde“: Zu wenig schlafen, zu wenig auspowern sowie übermäßig auf dem Handy scrollen (Raidl, 2024).
Selbstfürsorge ist keine Selbstverständlichkeit, sondern eine bewusste Entscheidung, die Priorität haben sollte. Es geht darum, Verantwortung für das eigene Wohlbefinden zu übernehmen und sich selbst mit Mitgefühl und Achtsamkeit zu begegnen. Das bedeutet manchmal auch, die eigenen Bedürfnisse vor jene anderer Menschen zu stellen. Erst wenn wir selbst auf einem stabilen Fundament stehen und uns mit Mitgefühl und Achtsamkeit begegnen, können wir anderen dauerhaft eine wirkliche Stütze sein, ohne dabei selbst zu zerbrechen. Selbstfürsorge ist somit keine egoistische Nabelschau, sondern die Voraussetzung für echte, langfristige Hilfsbereitschaft und Unterstützung. Sie ermöglicht es uns, mit Freude, Gelassenheit und innerer Ruhe für andere da zu sein, weil wir in einem gesunden Rhythmus zwischen Geben und Nehmen leben. Nur wenn wir gut für uns selbst sorgen, können wir langfristig gesund, resilient und in der Lage sein, anderen beizustehen.
Praktische Tipps zur Selbstfürsorge
Ich möchte Sie ermutigen, Selbstfürsorge zu einem festen Bestandteil Ihres Lebens zu machen. Nehmen Sie sich Zeit für sich selbst, hören Sie auf Ihre Bedürfnisse und gehen Sie liebevoll mit sich um. Selbstfürsorge ist eine Notwendigkeit – für Sie selbst und für all diejenigen, für die Sie da sein wollen. Die folgenden Punkte können Ihnen als Anregung dienen, (mehr) Selbstfürsorge in Ihr Leben zu integrieren.
1. Achtsame Selbstwahrnehmung: Nehmen Sie sich Zeit, um in sich hineinzuspüren und wahrzunehmen, was Sie brauchen. Hören Sie auf die Signale Ihres Körpers und Ihrer Seele und reagieren Sie mit Mitgefühl und Verständnis auf Ihre Bedürfnisse.
2. Regelmäßige Auszeiten: Planen Sie bewusst Auszeiten in Ihren Alltag ein, in denen Sie sich erholen und entspannen können. Das können kleine Pausen sein, in denen Sie tief durchatmen und zur Ruhe kommen, oder längere Zeitfenster, in denen Sie Aktivitäten nachgehen, die Ihnen guttun.
3. Bewegung und Ernährung: Achten Sie auf ausreichend Bewegung – bestenfalls im „Heilraum Natur“ – und eine ausgewogene Ernährung. Regelmäßige körperliche Aktivität und eine nährstoffreiche Ernährung unterstützen sowohl Ihre körperliche als auch Ihre mentale Gesundheit. Tatsächlich haben „Ausauer- und Kraftsport […] mittelgradige antidepressive Effekte“ (Raid, 2024). Betont wird, dass „Spazierengehen allein […] nicht [in diesem Maße hilft], es sollte wirklich zwei- bis dreimal die Woche fordernder Sport sein, bei dem man auch außer Atem kommt“ (ebda).
4. Soziale Kontakte pflegen und eintauchen ins Analoge: Verbringen Sie Zeit mit Menschen, die Ihnen guttun und Sie unterstützen. Pflegen Sie wertvolle Beziehungen und tauschen Sie sich mit anderen aus. Soziale Verbundenheit ist ein wichtiger Faktor für unser Wohlbefinden. Das inkludiert jedoch nicht (nur) Kontakte über digitale Medien oder Social Media, denn stundenlanges Scrollen und die ständige Verfügbarkeit durch Smartphones können auf Dauer unserem Gehirn schaden. Unser Gehirn ist biologisch nicht darauf ausgelegt, pausenlos mit einer Flut von Informationen und Reizen konfrontiert zu werden. Daher empfehle ich, regelmäßig digitale Auszeiten zu nehmen und sich wieder mehr der analogen Welt zuzuwenden. Lesen Sie ein Buch, blättern Sie in einer Zeitschrift oder schreiben Sie Ihre Gedanken in ein Tagebuch. Diese Aktivitäten fördern die Konzentration, die Kreativität und das Wohlbefinden, ohne das Gehirn zu überfordern. Finden Sie eine gesunde Balance zwischen der Nutzung digitaler Medien und der Hinwendung zu analogen Beschäftigungen, die Ihnen guttun.
5. Kreative Ausdrucksformen: Finden Sie kreative Ausdrucksformen, die Ihnen Freude bereiten und Ihnen helfen, Stress abzubauen. Malen, Schreiben, Musizieren oder jede andere Form der Kreativität eignen sich dafür, solange sie ihr mit Genuss nachgehen.
6. Grenzen setzen: Lernen Sie, „Nein“ zu sagen und Ihre Grenzen zu schützen. Kommunizieren Sie klar, was Sie brauchen und was Sie nicht leisten können. Grenzen sind ein wichtiger Bestandteil der Selbstfürsorge.
7. Professionelle Unterstützung: Scheuen Sie nicht davor zurück, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen, wenn Sie merken, dass Sie alleine nicht weiterkommen. Eine Psychotherapie kann ein wertvoller Raum sein, um neue Strategien zur Selbstfürsorge zu entwickeln.
Weitere Anregungen bietet auch meine Themenreihe „Körperliche und emotionale Immunbooster“.
Selbstfürsorge in herausfordernden Zeiten
Gerade in Krisenzeiten, wie wir sie aktuell erleben, ist Selbstfürsorge besonders bedeutsam. Die Unsicherheit, die ständigen Veränderungen und die erhöhte Belastung können schnell zu Überforderung und Erschöpfung führen. Umso wichtiger ist es, bewusst auf sich zu achten und für das eigene Wohlbefinden zu sorgen. Erlauben Sie sich auch bzw. vor allem in schwierigen Zeiten Momente der Ruhe und Entspannung. Seien Sie nachsichtig mit sich selbst und akzeptieren Sie, dass Sie nicht immer funktionieren müssen. Gönnen Sie sich Pausen, in denen Sie abschalten und neue Kraft schöpfen können. Pflegen Sie auch in herausfordernden Zeiten soziale Kontakte – lieber persönlich als digital, aber digital ist immer noch besser als kein Kontakt. Teilen Sie Ihre Gedanken und Gefühle mit Menschen, denen Sie vertrauen, und lassen Sie sich unterstützen. Gemeinsam lassen sich Krisen leichter bewältigen.
Im Juni werde ich auf Selbstfürsorge im Alltag eingehen und weitere praktische Tipps und Übungen vorstellen, damit Sie Selbstfürsorge zu Ihrer täglichen Priorität machen können, denn: Ihr Wohlbefinden liegt in Ihrer Hand.
Literatur:
Raidl, M. (2024): Drei Dinge, die eine Psychiaterin nie tun würde, in: Der Stanard Wochenende, 4./5. Mai 2024, K 6.