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Autismus und Autismus-Spektrum-Störungen (ASS): Ein Blick in die Welt des Andersseins

Der Begriff „Autismus“ wurde vom Kinderpsychiater Leo Kanner erstmals im Jahr 1943 verwendet (Autismus-Spektrum-Störung (ASS), online) und meint heute meist eine Gruppe neurologischer Entwicklungsstörungen, die häufig bereits in der frühen Kindheit erkennbar sind. Historisch gesehen wurde Autismus als eigenständige Diagnose betrachtet, die eine spezifische Reihe von Symptomen umfasst, darunter Schwierigkeiten in der sozialen Interaktion, Kommunikationsprobleme und repetitive Verhaltensweisen.

 

 

Mitte der 1940er-Jahre dokumentierte Hans Asperger „eine leichter ausgeprägte Form des Autismus, bei der das Sprachvermögen weniger beeinträchtigt ist, das so genannte Asperger-Syndrom.“ (ebd.) Daneben „ist auch der atypische Autismus relativ häufig, der durch Einschränkungen in zwei der drei zentralen Bereiche soziale Interaktion, Kommunikation oder stereotypes Verhalten gekennzeichnet ist“ (ebd.). 

Foto von Annie Spratt auf Unsplash
Foto von Annie Spratt auf Unsplash

Im DSM-5, der aktuellen Ausgabe des Diagnostischen und Statistischen Handbuchs für Psychische Störungen (DSM), wurden verschiedene Formen von Autismus-Spektrum-Störungen in einer Kategorie mit unterschiedlichen Schweregraden zusammengefasst. Dies geschah aufgrund von Studienerkenntnissen, wonach die Ursache der Störung und die Ausprägung der Symptome nicht klare diagnostische Grenzen aufweisen. Stattdessen gibt es fließende Übergänge und Überschneidungen zwischen den verschiedenen Ausprägungen der Störung. (Vgl. ebd.)

 

 

Wichtig anzumerken ist, dass Betroffene Autismus nicht als „Störung“ oder Krankheit klassifiziert sehen möchten, sondern die Meinung vertreten, dass „Autismus ein normaler und wünschenswerter Teil der neurologischen Vielfalt der Menschheit [ist], keine Störung“ (Mueller, online).

„Autismus“ oder „ASS“?

Autismus-Spektrum, aus: Mueller, online.
Autismus-Spektrum, aus: Mueller, online.

Autismus ist ein engerer Begriff, der sich auf eine bestimmte Diagnose bezieht, wohingegen mit Autismus-Spektrum-Störungen (ASS) ein breiterer Begriff gewählt wird, der eine Vielzahl autistischer Zustände umfasst. „Die Unterschiede zwischen autistischen Menschen sind zu komplex, um sie in zwei bis drei Sub-Kategorien darstellen zu können. Zum Beispiel gibt es Personen, die als Kleinkinder die Diagnose Frühkindlicher Autismus bekommen, die in ihrer Entwicklung später aber mehr dem ähneln, was als Asperger-Syndrom bezeichnet wird. Deshalb entstand das Modell des Autismus-Spektrums.“ (Mueller, online) Damit ist ASS inklusiver, da es die Vielfalt der Autismus-Merkmale und -Grade berücksichtigt. Autismus ist dagegen spezifischer und konzentriert sich auf bestimmte diagnostische Kriterien. 

Merkmale von Autismus und Besonderheiten in der Kommunikation

Autismus ist eine neurologische Entwicklungsstörung, die das soziale Interaktionsverhalten, die Kommunikation, Interessen und oft auch das Verhalten beeinflusst.

 

 

Menschen im Autismus-Spektrum haben häufig Schwierigkeiten mit Sprache und deren Anwendung. Diese Schwierigkeiten zeigen sich insbesondere in der Kommunikation mit anderen, beim Verständnis sprachlicher Äußerungen und beim Verstehen non-verbaler Kommunikation wie Mimik, Körpersprache und Gestik. Bei der expressiven Sprache haben sie Probleme, ihre Gedanken präzise auszudrücken. Dies variiert je nach individuellem Sprachvermögen. Beim Verständnis von Sprache können sie Schwierigkeiten haben, komplexe oder mehrdeutige sprachliche Inhalte zu verstehen. Auch das Verarbeiten schneller oder umfangreicher sprachlicher Informationen stellt eine Herausforderung dar. Das Verstehen non-verbaler Kommunikation bereitet Schwierigkeiten, da Signale wie Gesichtsausdrücke und Gesten für Betroffene schwer zu erkennen und zu interpretieren sind. Insgesamt fällt es ihnen schwer, effektiv verbal und nonverbal zu kommunizieren und die Signale anderer angemessen zu verstehen. (Vgl. Besonderheiten in der Kommunikation, online)

Autismus in der Psychotherapie

Foto von Caleb Woods auf Unsplash
Foto von Caleb Woods auf Unsplash

„Bei Verdacht auf eine Autismus-Spektrum-Störung sollten Eltern unbedingt zu einem Kinder- und Jugendpsychiater gehen. Kinder- und Jugendpsychiater kennen die zentralen Differentialdiagnosen, wie z.B. Angst- und Zwangsstörungen, geistige Behinderung ohne Autismus, Störungen des Sozialverhaltens oder ADHS. Sie können auch komorbide psychische Störungen, wie z.B. depressive Episoden, erkennen und gezielt behandeln. Je früher die Krankheit entdeckt wird, desto eher kann der Betroffene individuell behandelt und gefördert werden.“ (Autismus-Spektrum-Störung (ASS), online)

In der Therapie zeigen sich Betroffene häufig als intelligente und reflektierte Personen mit anfänglichen Schwierigkeiten in der sozialen Interaktion, im Ausdruck von Emotionen und in der Bewältigung von Veränderungen im Alltag. Die ersten Sitzungen stellen damit den Beziehungsaufbau und die Vertrauensbildung in den Vordergrund, da sich Menschen mit diagnostizierten ASS genauso wie jene ohne ASS wohl und sicher fühlen müssen, bevor sie sich auf den therapeutischen Prozess einlassen können. Gemeinsam werden individuelle Ziele erarbeitet, um beispielsweise soziale Fähigkeiten zu verbessern und gegebenenfalls Ängste zu bewältigen. Möglich ist der Einsatz von Techniken zur Emotionsregulation und von Strategien, um soziale Situationen besser verstehen und angemessen(er) reagieren zu können. Dabei erweisen sich häufig Visualisierungen und Rollenspiele als effektive Methoden, um realitätsnahe Situationen zu üben. Auf diese Weise ist ein Zugewinn an Selbstvertrauen, die Erweiterung des Repertoires an sozialen Fertigkeiten und ein besserer Umgang mit Veränderungen machbar. Lassen sich Betroffene auf Therapien ein, können sie belastende Situationen eher identifizieren und angebrachter bewältigen. Eine geduldige Unterstützung und gezielte Interventionen können die Lebensqualität autistischer Personen verbessern und diesen mehr Sicherheit im Umgang mit sozialen Interaktionen geben.

Die vielen Facetten von Autismus und ASS

Insgesamt ist Autismus ein vielschichtiges Thema, das eine offene, einfühlsame und wissensbasierte Herangehensweise erfordert. Durch die Förderung von Akzeptanz und Inklusion können wir als Gesellschaft dazu beitragen, dass Menschen mit Autismus die bestmögliche Unterstützung und Chancen erhalten, um ihr volles Potenzial auszuschöpfen. Jeder Mensch verdient Respekt, Würde und die Möglichkeit, in einer Welt zu leben, die für alle offen und zugänglich ist.


Im Oktober gehe ich auf die Vielfalt von Autismus ein und erläutere, vor welche Herausforderung Betroffene, ihre Familie und Freund:innen gestellt werden.


Literatur:

Autismus-Spektrum-Störung (ASS), online: https://www.neurologen-und-psychiater-im-netz.org/kinder-jugendpsychiatrie-psychosomatik-und-psychotherapie/stoerungen-erkrankungen/autismus-spektrum-stoerung-ass/

 

Besonderheiten in der Kommunikation, online: https://www.autistenhilfe.at/was-ist-autismus/hauptmerkmale/besonderheiten-der-autismus-spektrum-stoerung-ass/

 

Mueller, online: https://autismus-kultur.de/was-ist-autismus/?utm_content=cmp-true

 

 

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Michaela Legl-Bruckdorf, B.A., MSc

Psychotherapeutin 

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