Im Mai habe ich die Unterschiede zwischen Psychotherapie und Lebensberatung vorgestellt. Da sich manche Bereiche und Themen der genannten Fachgebiete überschneiden können, ist es oftmals unklar, wo die Psychotherapie zu verankern ist. Wichtig anzumerken ist, dass sowohl Psychotherapeut:innen, Psycholog:innen als auch Psychiater:innen häufig im Team mit anderen Berufsgruppen zusammenarbeiten (z. B. mit Sozialarbeiter:innen, Ergotherapeut:innen, Physiotherapeut:innen, Krankenpflegepersonen).
Psychotherapie vs. psychiatrische Behandlungen
Auch im Vergleich zu psychiatrischen Behandlungen gibt es naturgemäß Unterschiede, da Psychiater:innen Ärzt:innen sind, die sich auf Diagnostik, Behandlung und Prävention psychischer Störungen spezialisiert haben. Im Gegensatz zu Psycholog:innen und Psychotherapeut:innen haben Psychiater:innen ein Medizinstudium absolviert und sind in der Lage, medizinische Untersuchungen durchzuführen, Medikamente zu verschreiben und andere körperliche Aspekte in die Behandlung einzubeziehen.
Ihre Aufgaben können vielfältig sein und umfassen unter anderem:
· Diagnosestellung: Psychiatrische Erkrankungen können eine breite Palette von Symptomen und Erscheinungsformen aufweisen. Psychiater:innen führen umfassende Untersuchungen, Gespräche und Bewertungen durch, um eine genaue Diagnose zu stellen. Dazu kann auch die Auswertung von Krankengeschichten, psychologischen Tests und Labortests gehören.
· Behandlung: Psychiater:innen entwickeln Behandlungspläne, um psychische Störungen zu bearbeiten. Diese Pläne können sowohl medikamentöse Therapien (z. B. Verschreibung von Psychopharmaka) als auch psychotherapeutische Ansätze umfassen. Psychiater:innen können auch andere Therapieformen (z. B. Elektrokrampftherapie (EKT), Transkranielle Magnetstimulation (TMS)) einsetzen, um bestimmte Erkrankungen zu behandeln.
· Beratung und Betreuung: Psychiatrische Patient:innen benötigen oft eine kontinuierliche Betreuung und Unterstützung. Psychiater:innen bieten Beratungsgespräche an, um sie zu unterstützen, ihre Probleme zu bewältigen, ihre Symptome zu kontrollieren und Strategien für den Umgang mit ihrer Erkrankung zu entwickeln.
· Zusammenarbeit mit anderen Fachleuten: Psychiatrische Erkrankungen können sich auf verschiedene Aspekte des Lebens auswirken. Psychiater:innen arbeiten häufig mit Psycholog:innen, Sozialarbeiter:innen, Krankenschwestern und anderen Gesundheitsdienstleister:innen zusammen, um eine umfassende Behandlung zu gewährleisten. Sie können auch mit Hausärzt:innen oder Spezialist:innen anderer medizinischer Fachrichtungen zusammenarbeiten, um eine ganzheitliche Versorgung zu ermöglichen.
· Forschung und Lehre: Viele Psychiater:innen sind auch in der akademischen Forschung und Lehre tätig. Sie tragen zur Weiterentwicklung des Wissens über psychische Störungen bei und können an klinischen Studien teilnehmen, um neue Behandlungsansätze zu erforschen.
Ähnlich wie bei Psycholog:innen können die Tätigkeiten von Psychiater:innen auch von der Art der psychischen Störung abhängen, auf die sie sich spezialisieren.
Psychotherapie vs. psychologische Interventionen
Psychotherapie unterscheidet sich von psychosozialen Interventionen in ihrer langfristigen, nachhaltigen Effektivität und Wirksamkeit, die durch zahlreiche wissenschaftliche Studien belegt ist. In der Psychotherapie wird ein therapeutischer Raum eröffnet, in dem krankheitswertige Prozesse sichtbar gemacht werden, um den Patient:innen zu helfen, aktiv und langfristig an der Veränderung ihres Erlebens und Verhaltens mitzuwirken. Psychotherapeut:innen haben eine umfangreiche Ausbildung und Persönlichkeitsentwicklung durchlaufen, die es ihnen ermöglicht, diese Herausforderungen zu meistern. Psychotherapie kann deshalb nicht durch andere psychosoziale Interventionen ersetzt werden, da viele Patient:innen andere Hilfen nicht nachhaltig nutzen können.
Wo psychologische Interventionen auf spezifische Zielgruppen (z. B. Neuropsychologie, Gerontopsychologie, Teilleistungsstörungen etc.) ausgerichtet sind, bearbeiten psychotherapeutische Behandlungen alle klinischen Störungsbilder und fokussieren die Persönlichkeitsentwicklung u. Ä. Es wird stets ein auf die Bedürfnisse der Klient:innen abgestimmter Prozess angewendet, der auf wissenschaftlichen Erkenntnissen und Erfahrungen basiert.
Psycholog:innen müssen nach Abschluss des Studiums eine praktische Tätigkeit absolvieren, um die Berufsberechtigung zu erlangen. Dies kann in Form eines Berufspraktikums oder einer einschlägigen Berufstätigkeit erfolgen. Nach erfolgreicher Absolvierung dieser praktischen Phase können Psycholog:innen die notwendige berufsrechtliche Zulassung beantragen und in verschiedenen Bereichen der Psychologie arbeiten.
Im Gegensatz zur Psychotherapie fokussiert eine psychologische Beratung demnach vermehrt auf die Diagnostik und greift dafür auf eigenständige Testverfahren zurück (z. B.: Tests zu Leistungsfähigkeit, Persönlichkeitszügen, Intelligenz oder Stimmungslagen). Psycholog:innen dürfen nur beraten, ausgenommen sie sind zusätzlich in klinischer Psychologie ausgebildet und anerkannt, wofür sie sowohl Selbsterfahrung als auch praktische Erfahrungen vorweisen müssen. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, dürfen klinische Psycholog:innen zwar behandeln, sie sind aber im Unterschied zu Psychotherapeut:innen nicht in einer spezifischen Methode basierend auf einem gewissen Menschenbild ausgebildet.
Spezialisierungen von Psycholog:innen
Die Psychologie ist ein breites Fachgebiet, das verschiedene Bereiche und Spezialisierungen umfasst. Im Folgenden skizziere ich einige bekanntere Fachbereiche:
· Klinische Psychologie: Dieser Bereich beschäftigt sich mit der Diagnose und Behandlung psychischer Störungen und Probleme. Klinische Psycholog:innen arbeiten zumeist mit Einzelpersonen, Gruppen oder Familien.
· Entwicklungspsychologie: Die Entwicklungspsychologie befasst sich mit den Veränderungen und Entwicklungsprozessen, die Menschen durchlaufen. Sie untersucht die körperliche, kognitive, soziale und emotionale Entwicklung von der Kindheit bis ins Erwachsenenalter.
· Schul- und Bildungspsychologie: Dieser Bereich konzentriert sich auf die Anwendung psychologischer Prinzipien und Theorien im schulischen Kontext. Schul- und Bildungspsycholog:innen arbeiten daran, Lern- und Entwicklungsprozesse zu verstehen und zu verbessern, Schulberatung anzubieten, Lernschwierigkeiten zu identifizieren und pädagogische Interventionen zu entwickeln.
· Arbeits- und Unternehmenspsychologie: Dieser Bereich befasst sich mit der Psychologie am Arbeitsplatz und in Organisationen. Hier beschäftigen sich Psycholog:innen mit Themen wie Mitarbeiter:innenmotivation, Teamarbeit, Führung, Organisationsstruktur, Arbeitszufriedenheit und Berufsberatung.
· Sozialpsychologie: Die Sozialpsychologie untersucht, wie Menschen in sozialen Situationen denken, fühlen und handeln. Sie erforscht Themen wie Einstellungen, Vorurteile, soziale Wahrnehmung, soziale Interaktion, Gruppendynamik und soziale Beeinflussung.
· Gesundheitspsychologie: Dieser Bereich befasst sich mit der psychologischen Dimension von Gesundheit, Krankheit und Gesundheitsförderung. Gesundheitspsycholog:innen untersuchen den Einfluss psychologischer Faktoren auf die körperliche Gesundheit, entwickeln Interventionen zur Förderung eines gesunden Lebensstils und bieten Unterstützung bei der Bewältigung von Krankheiten an.
· Forensische Psychologie: Forensische Psychologie befasst sich mit der Anwendung psychologischer Prinzipien im juristischen Bereich. Forensische Psycholog:innen arbeiten z. B. in der Gerichtspsychologie, Kriminalpsychologie oder im Bereich der forensischen Gutachten.
Zudem können Psycholog:innen in der Forschung, Beratung, Sportpsychologie, Verkehrspsychologie, Umweltpsychologie und vielen anderen Bereichen tätig sein, wobei die genauen Ausbildungsanforderungen je nach Spezialisierung und beruflicher Tätigkeit variieren können.
Literatur:
Dieser Text basiert auf dem „Dossier: Psychotherapiegesetz und Psychotherapieausbildung NEU“, das im Jänner 2023 vom Österreichischen Bundesverband für Psychotherapie (ÖBVP), der Vereinigung österreichischer Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten (VÖPP), dem Steirischen Landesverband für Psychotherapie (STLP) und der Expert:innengruppe Psychotherapiegesetz NEU herausgegeben wurde und über folgenden Link abrufbar ist: https://www.psychotherapie.at/sites/default/files/files/berufspolitik/Dossier-Psychotherapiegesetz-NEU-2023.pdf
https://www.therapie.de/psyche/info/fragen/wichtigste-fragen/beratung-vs-psychotherapie/
https://jobs.derstandard.at/lebenslauf-und-bewerben/was-machen-psychologinnen-und-psychologen/
https://sozialpsychiatrie.at/unterschiede-zwischen-psych-berufen/