Im Mai und Juni stelle ich die Unterschiede zwischen Psychotherapie, Lebensberatung, psychologischer Unterstützung und psychiatrischen Interventionen vor. Da sich manche Bereiche und Themen der genannten Fachgebiete überschneiden können, ist es oftmals unklar, wo die Psychotherapie zu verankern ist. Wichtig anzumerken ist, dass sowohl Psychotherapeut:innen, Psycholog:innen als auch Psychiater:innen häufig im Team mit anderen Berufsgruppen zusammenarbeiten (z. B. mit Sozialarbeiter:innen, Ergotherapeut:innen, Physiotherapeut:innen, Krankenpflegepersonen).
Psychotherapie
Gemäß der Definition des österreichischen Sozialministeriums ist „Psychotherapie […] ein eigenständiges Heilverfahren im Gesundheitsbereich für die Behandlung von psychischen, psychosozialen oder auch psychosomatisch bedingten Verhaltensstörungen und Leidenszuständen“ (Sozialministerium, online). Ihr Zweck besteht darin, „seelisches Leid zu heilen oder zu lindern, in Lebenskrisen zu helfen, gestörte Verhaltensweisen und Einstellungen zu ändern, die persönliche Entwicklung und Gesundheit zu fördern“ (ebd.). Menschen wenden sich an Psychotherapeut:innen bei „Ängste[n], die die Lebensqualität einschränken, belastende[n] Zwangsgedanken und Zwangshandlungen, Depressionen, Süchte[n], somatopsychische[n] und chronische[n] Erkrankungen, psychosomatische[n] Erkrankungen (Krankheiten, die mit ungelösten und belastenden psychischen Problemen zusammenhängen), funktionelle[n] Störungen (häufig wiederkehrende körperliche Beschwerden, die keine organische Ursache haben), belastende[n] Lebenssituationen und Lebenskrisen, Probleme[n] und Krisen in der PartnerInnenschaft und in der Familie“ (ebd.).
Psychotherapie ist laut Gesetz eine eigenständige, wissenschaftlich fundierte und auf Erfahrung basierende Heilmethode zur Behandlung psychischer Störungen oder psychisch bedingter körperlicher Störungen. Dabei wird ein systematischer, auf die individuellen Bedürfnisse der Klient:innen abgestimmter Prozess angewendet, der auf Grundlage einer spezifischen Theorie und Methode durchgeführt wird. Psychotherapie ist damit eine klinische Behandlungsform, die von approbierten Psychotherapeut:innen durchgeführt wird und psychische Erkrankungen und psychische Leiden wie z. B. Angststörungen, Depressionen, posttraumatische Belastungsstörungen und viele andere behandelt.
Psychotherapie vs. Lebensberatung
Zunächst ist es wichtig, die Psychotherapie von der Lebensberatung, deren Tätigkeitsbereiche sie vollständig abdeckt, und diese wiederum von der Psychologie und Psychiatrie abzugrenzen, da sich diese Behandlungsformen hinsichtlich ihrer Zielsetzung, Methodik und gesetzlichen Regelungen unterscheiden. Alle Fachgebiete dienen grundsätzlich der Unterstützung von Menschen, die Hilfe bei der Bewältigung von Problemen und Herausforderungen in ihrem Leben benötigen; die Unterschiede sind nicht nur in den Spezialisierungen und Ausbildungen zu finden, sondern insbesondere in der Ausgestaltung und Möglichkeit der Interventionen.
Im Gegensatz zu anderen Ländern müssen „Lebens- und Sozialberater:innen“ in Österreich für die Erlangung einer Gewerbeberechtigung eine zertifizierte Ausbildung vorweisen. Lebensberater:innen dürfen grundsätzlich keine medizinischen Diagnosen stellen oder therapeutische Interventionen durchführen. Sie arbeiten normalerweise nicht mit schweren psychischen Störungen, sondern konzentrieren sich auf persönliches Wachstum, Lebensbewältigung und das Erreichen von Zielen – all das deckt auch die psychotherapeutische Unterstützung ab. In einigen Ländern können Lebensberater:innen auch unter Begriffen wie Life Coach, Berater:in oder Personal Coach tätig sein, wofür länderspezifische Voraussetzungen erfüllt sein müssen.
Der Fokus einer Psychotherapie liegt auf der Heilung psychischer Krankheiten und Probleme, während bei der Lebensberatung eher das Ziel der Unterstützung bei allgemeinen Lebensproblemen im Vordergrund steht und sie sich auf persönliche Probleme, zwischenmenschliche Konflikte oder Entscheidungen im Leben konzentriert, wobei diese Themen auch im Rahmen einer Psychotherapie bearbeitbar sind. Lebensberater:innen sind in der Regel nicht medizinisch ausgebildet, sondern eventuell Expert:innen auf einem bestimmten Gebiet wie z. B. Karriere oder Finanzen. Ihre Klient:innen werden bei der Klärung von Zielen, der Identifizierung von Hindernissen und der Entwicklung von Strategien zur Überwindung dieser Hindernisse beraten. Lebensberatung zielt ebenso wie eine Psychotherapie darauf ab, Klient:innen in die Lage zu versetzen, das Leben besser zu verstehen und produktiver zu gestalten.
Die genaue Rolle und Methode von Lebensberater:innen können je nach Ausbildung, Ansatz und persönlicher Expertise variieren:
- · Beratungsgespräche: Lebensberater:innen führen individuelle Gespräche mit ihren Klient:innen, um ihre Anliegen, Ziele und Bedürfnisse zu verstehen. Sie bieten einen sicheren und vertraulichen Raum, in dem Klient:innen ihre Gedanken, Gefühle und Herausforderungen teilen können.
- · Zielsetzung und Planung: Lebensberater:innen helfen den Klient:innen dabei, ihre Ziele zu identifizieren und realistische Schritte zur Erreichung dieser Ziele zu planen. Sie unterstützen bei der Entwicklung von Strategien und Techniken, um Hindernisse zu überwinden und positive Veränderungen im Leben umzusetzen.
- · Problemlösung und Entscheidungsfindung: Lebensberater:innen unterstützen ihre Klient:innen dabei, Probleme zu analysieren, verschiedene Optionen abzuwägen und fundierte Entscheidungen zu treffen. Sie bieten Unterstützung bei der Entwicklung von Problemlösungsstrategien und helfen dabei, die Konsequenzen von Entscheidungen zu verstehen.
- · Stärkung der Ressourcen: Lebensberater:innen ermutigen ihre Klient:innen, ihre eigenen Stärken, Fähigkeiten und Ressourcen zu erkennen und zu nutzen. Sie helfen dabei, das Selbstvertrauen und die Selbstwirksamkeit der Klient:innen zu stärken, um Herausforderungen zu bewältigen und positive Veränderungen herbeizuführen.
- · Emotionaler Support: Lebensberater:innen bieten emotionale Unterstützung und Empathie, um Klient:innen dabei zu helfen, mit Stress, Ängsten, Trauer oder anderen emotionalen Herausforderungen umzugehen. Sie können Techniken zur Stressbewältigung, Achtsamkeit oder Entspannungstechniken vermitteln.
- · Ressourcenvermittlung: Lebensberater:innen können ihren Klient:innen Informationen über geeignete Ressourcen, Dienstleistungen oder Fachleute in zur Verfügung stellen. Sie verweisen beispielsweise auf lokale Unterstützungsgruppen, Weiterbildungsangebote oder andere professionelle Dienstleistungen, die für die individuellen Bedürfnisse relevant sein können.
Im Juni erläutere ich, was psychotherapeutische Behandlungen von psychiatrischen und psychologischen unterscheidet.
LITERATUR:
Dieser Text basiert auf dem „Dossier: Psychotherapiegesetz und Psychotherapieausbildung NEU“, das im Jänner 2023 vom Österreichischen Bundesverband für Psychotherapie (ÖBVP), der Vereinigung österreichischer Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten (VÖPP), dem Steirischen Landesverband für Psychotherapie (STLP) und der Expert:innengruppe Psychotherapiegesetz NEU herausgegeben wurde und über folgenden Link abrufbar ist: https://www.psychotherapie.at/sites/default/files/files/berufspolitik/Dossier-Psychotherapiegesetz-NEU-2023.pdf
Sozialministerium: https://www.sozialministerium.at/Themen/Gesundheit/Medizin-und-Gesundheitsberufe/Berufe-A-bis-Z/Psychotherapeutin,-Psychotherapeut.html
https://www.ris.bka.gv.at/eli/bgbl/II/2022/116
https://www.therapie.de/psyche/info/fragen/wichtigste-fragen/beratung-vs-psychotherapie/