Zahlreiche meiner Beiträge weisen auf die Tatsache hin, dass wir Menschen soziale Wesen sind. Meist suchen wir nicht nur den Austausch untereinander, sondern fühlen uns deutlich besser, wenn wir mit anderen interagieren können. Wer mit Belastungen oder/und Problemen konfrontiert ist, stößt irgendwann an einen Punkt, bei dem er selbst nicht weiterkann. Das Gedankenkarussell kreist nur noch und anstatt Lösungen zu finden, bleiben wir in der immer gleichen Sackgasse stecken. Wer sich nun noch weiter zurückzieht und sich scheut, seine Sorgen, seinen Kummer oder Schwierigkeiten anderen nicht nur mitzuteilen, sondern sie teilnehmen zu lassen und in die Problemfindung zu integrieren, wird weiterkommen.
Bei gewöhnlichen Konflikten und Herausforderungen hilft oft schon das Gespräch mit Freundinnen und Freunden. Unter anderen fand eine Studie der University of California in Los Angeles heraus, dass das Gehirn bereits beim Ansprechen negativer Emotionen Ärger oder Traurigkeit dämpft (vgl. online Gute-Laune-Psychologie: Reden hilft wirklich - DER SPIEGEL). Reden hilft, Situationen aus anderen Perspektiven zu betrachten. Außenstehende sehen häufig Lösungswege, die wir, die mitten in der „Krise“ verharren, nicht mehr erkennen konnten. Wo diese Methode des Entlastens nicht mehr greift, der Austausch mit vertrauten Personen nicht weiterführt, können Psychotherapeutinnen und -therapeuten als professionelle Unterstützende eingreifen und uns entlasten.
Was therapeutische Gespräche oder psychotherapeutische Interventionen vom Gespräch unter Freundinnen und Freunden und mit Nahestehenden unterscheidet, erläutere ich im Dezember. Im Folgenden erfahren Sie, wie Psychotherapie grundsätzlich hilft und was erfolgreiche Psychotherapie ausmacht.
Im Buch „Was hilft Psychotherapie, Herr Kernberg?“ gibt Manfred Lütz Gespräche mit dem erfahrenen und bekannten Psychotherapeuten Otto Kernberg wieder, in denen u. a. die Frage danach aufgeworfen wird, was ein existenzielles Gespräch mit einer oder einem Bekannten von dem methodischen Gespräch der Psychotherapie unterscheidet. Kernberg sieht den Unterschied in den Kenntnissen der tiefen Ebene der menschlichen Entwicklung verhaftet, über die ausgebildete Psychotherapeutinnen und -therapeuten verfügen. Den Betroffenen werde geholfen, da sie „ihre Probleme durch Einsicht in die im Allgemeinen unbewussten, unbekannten Ursachen ihres psychischen Leidens im Gespräch […] lösen“ (Lütz, 2020, 17).
Kernberg nennt zudem grundlegende Dimensionen, die eine gute von einer schlechten Psychotherapie unterscheiden – und hier wird klar bei der Person des oder der Therapierenden angesetzt. Therapeutinnen und Therapeuten, die sich auf eine Methodik spezialisiert haben, müssen dennoch über fundiertes Wissen und vertiefte Kenntnisse sämtlicher (psycho-)therapeutischer Schulen, Lehren und Interventionen verfügen, sie müssen am aktuellen Stand der Wissenschaft sein und zuvorderst über Einfühlungsvermögen, Ehrlichkeit, Gewissenhaftigkeit, Verantwortlichkeit und ein Interesse am Menschen verfügen. Unter allen Umständen müsse das Ziel verfolgt werden, dem Gegenüber helfen zu wollen, auch, oder insbesondere dann, wenn das Gegenüber sich aggressiv verhält oder gar die Therapierenden beschimpft. Eigene (ideologische) Voreingenommenheit und Rigidität seien fehl am Platz. Gelingende Psychotherapie mache mithilfe der jeweiligen Techniken das Unbewusste bewusst und führe dementsprechend zu Einsicht und Entlastung. (Ebda, 20ff.)
Gelingende Psychotherapie leitet immer an, Herausforderungen anzunehmen und Veränderungen herbeizuführen, die zuvor Angst gemacht haben. Innerhalb der Therapie sollte dem Verstand erklärt werden, was wir tun und warum uns etwas unangenehm ist, Angst macht, weshalb wir auf eine Art und Weise reagieren, die wir selbst uns kaum erklären können. Sobald Therapierende auch theoretische Einblicke geben, fällt das Verstehen leichter. Neben der Beziehung zur Therapeutin oder zum Therapeuten ist dieses Verstehen die Essenz möglicher Veränderung. Für die Therapie gilt deshalb, zu unterstützen und hinzuleiten zu einem Verständnis, denn erst dann bekommen wir nicht nur das Gefühl, in der Therapie verstanden zu werden, sondern beginnen, uns selbst zu verstehen.
Im Dezember erläutere ich, was Psychotherapie bzw. Gesprächstherapie von einem Gespräch mit Freundinnen und Freunden unterscheidet.
Bei Fragen können Sie mich gern kontaktieren.
Literatur:
Lütz, Manfred (2020): Was hilft Psychotherapie, Herr Kernberg? Erfahrungen eines berühmten Psychotherapeuten. Freiburg: Herder.
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