„Wer das helfende Wort in sich aufruft, erfährt das Wort, wer Halt gewährt, verstärkt in sich den Halt, wer Trost spendet, vertieft in sich den Trost, wer Heil wirkt, dem offenbart sich das Heil.“ (Martin Buber)
Die Juni-, Juli- und Septemberbeiträge konzentrieren sich auf den Menschen als soziales Wesen, der (neue) Erkenntnisse in Gemeinschaft sucht und finden kann. Dieser Einführungsbeitrag umreißt die Relevanz (zwischen-)menschlicher Beziehungen und das Potenzial, das Verbundenheit mit anderen für uns hat.
Der Mensch strebt als soziales Wesen danach, Verbundenheit zu spüren. In Gemeinschaft mit „Artgenossen“ unseren Bedürfnissen nachzugehen, ist unser instinktives Ziel. Junge Eltern bekommen regelmäßig die populäre Weisheit zu hören, es brauche ein ganzes Dorf, um ein Kind großzuziehen, und wer nicht nur Kinder hat, sondern zudem alleinerziehend ist, erkennt, wie wahr das ist. Ohne Unterstützung durch Gemeinschaft, Institutionen, andere Erwachsene u. Ä. ist es nicht möglich, einen Menschen aufzuziehen, ohne dabei selbst verloren zu gehen. Das gilt allerdings nicht nur für die „Aufzucht“ unserer „Jungen“, sondern grundsätzlich: Belastungen, die für ein Individuum zu groß sind, können in Gemeinschaft abgefedert werden. Umgekehrt kann die zunehmende Vereinsamung zu Angststörungen, Depressionen, Burnouts, Traumata, Suchterkrankungen, Zwangsstörungen, Essstörungen, psychosomatischen Erkrankungen und/oder Schmerzstörungen führen – Themen, die in psychotherapeutischen Gruppentherapien erfolgreich behandelbar sind.
Gemeinschaft und Verbundenheit geben uns nicht nur Sicherheit bei Fragen, die wir nicht selbst beantworten können, sondern schützen auch vor Gefahrensituationen, Überlastung, sie geben uns das Gefühl, geborgen zu sein, Halt zu finden, wir werden in Gemeinschaft gesehen und im optimalen Fall angenommen. Die Relevanz der frühen Eltern-Kind-Beziehung ist über Jahrzehnte und anhand zahlreicher Erhebungen und Untersuchungen eindeutig belegt. Nur in stabiler Verbundenheit mit den Eltern, können sich Vertrautheit und das sog. Urvertrauen entwickeln, das wir benötigen, um auch in unserer weiteren Entwicklung eine stabile Persönlichkeit aufbauen und sicher durchs Leben gehen zu können.
Werden oder fühlen wir uns verletzt, hebt sich jede Verbundenheit auf, Gemeinschaft bricht, und wenn so etwas sehr früh in unserem Leben passiert, können lebenslange Traumata entstehen, die uns das Einlassen auf Beziehungen nicht nur erschweren, sondern auch unmöglich machen können. Doch auch derartige Erfahrungen können durch eine neuerliche und sichere Gemeinschaft bearbeitet und ihnen kann der Schmerz genommen werden: durch eine vertrauensvolle Verbundenheit.
Jedes Individuum muss zunächst zu einer tiefen Verbundenheit mit sich selbst finden, bevor es Mitmenschen und der Umwelt trauen und sich anderen anvertrauen kann. Genauso essenziell wie unsere ersten Beziehungen sind unsere Gedanken, unser Verhalten, unsere Empfindungen – sie alle zusammen prägen unser Immunsystem, das in ständiger Wechselwirkung damit steht. Ein erweitertes und vieldimensionales Verständnis von Gesundheit zeigt uns, dass positive Gedanken und seelische Ausgeglichenheit zu einem inneren Wohlbefinden führen, das unsere Selbstheilungskräfte stärkt und Studien zufolge Krankheiten teilweise verhindern kann. (Vgl. dazu auch Schubert, 2019)
Wir wissen heute, dass Gesundheit nicht in erster Linie eine medizinische Fragestellung ist, sondern von zahlreichen Faktoren abhängt und für Heilung bei einem Großteil der Betroffenen eine Form von Gemeinschaft wichtig ist, da die emotionale, psychische und spirituelle Dimension von Gesundheit nicht vergessen werden darf: Faktoren, die wir im sozialen Miteinander erleben. Dass psychotherapeutische Gruppen heilsame Gemeinschaften hervorbringen, beleuchtet der Juli-Beitrag.
Einen schönen Start in den Sommer, bleiben Sie gesund!
Literatur:
C. Schubert: Was uns krank macht – was uns heilt, 2019.
Bilder:
lizenzfrei über Unsplash