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Kinder und Jugendliche in der Coronakrise

 

 

Die Kinder leiden. Vielen fehlen die Worte, um auszudrücken, was in und mit ihnen los ist, sie leiden still, andere laut, sie verstehen – altersabhängig – sich und ihre Gefühle selbst nicht. Sie verdrängen und lenken sich ab, manchmal mit nicht mehr altersadäquater Bildschirmzeit und unpassenden Inhalten, sie grübeln, machen sich Gedanken über eine Zukunft, die aktuell auch Erwachsenen rätselhaft ist. 

 

 

Kinder brauchen Struktur, sie lieben Gewohnheit, sie sind (noch) nicht gemacht für Veränderung. Sie orientieren sich an den Erwachsenen, fühlen deren Stimmungen, spüren Ängste, Sorgen, Probleme. Selbst, oder gerade dann, wenn diese nicht verbalisiert werden. Derzeit ist kaum jemand frei von Gedanken darüber, was kommen wird, wohin die Welt, die Gesellschaft gehen wird, was uns nicht nur dieser Herbst und Winter, sondern auch das nächste Jahr an liebgewonnenen Reisen, Urlauben, Ausflügen, Erlebnissen und Erfahrungen nehmen wird – was auch im nächsten Jahr noch unerreichbar bleiben wird. Wird es einen Sommerurlaub geben, werden Veranstaltungen stattfinden, darf die Schule Ausflüge, Klassenfahrten, Theater- oder Museumsbesuche organisieren, und immer die zentrale Frage in den Köpfen der Kinder: Werde ich meine Freundinnen und Freunde weiterhin sehen können? Wenn schon nicht in der Schule, dann wenigstens privat?

 

 

 

 

Schule bedeutet nicht primär, sich Wissen aneignen, Prüfungen, Tests, Schularbeiten. Für Kinder und Jugendliche stehen die sozialen Kontakte im Vordergrund, und wenn es dort Einschnitte gibt, funktioniert für sie sehr vieles nicht mehr. Sie fühlen sich nicht mehr vollständig, der Verlust der Sozialkontakte und die Ungewissheit können lähmen oder Kinder renitent erscheinen lassen. Die meisten erfahren zum ersten Mal existenzielle, aber altersabhängig kaum artikulierbare Unzufriedenheit. Die Ungewissheit, selbst wenn sie nicht vordergründig wahrgenommen wird, kann sich auf das Schlaf- und Sozialverhalten der Kinder und Jugendlichen auswirken und zahlreiche Folgen haben: Ein- und Durchschlafstörungen, Appetitlosigkeit, Freudlosigkeit, übermäßige Langeweile, Zerstörungsdrang, Fantasielosigkeit etc.

 

 

Jugendliche leben heutzutage nicht nur in der realen Welt, sondern kennen sich in der virtuellen Welt genauso gut aus und sind nicht nur durch persönlichen Kontakt miteinander verbunden, sondern auch über virtuelle Plattformen, Social Media, Online-Rollenspiele. Dies kann Stütze und Ausflucht sein, aber auch andere Problematiken begründen. Wenn der Turnunterricht ausfällt, sich das Leben auf Online-Kanäle verlagert, die Unzufriedenheit dazu führt, sich grundsätzlich lieber zurückzuziehen, die Eltern zwischen Existenzängsten, Armutsgefährdung, Homeoffice und Haushalt sowieso wenig Zeit haben und stets gestresst wirken, kann sich die Bildschirmzeit zur Lebenszeit wandeln. Kinder und Jugendliche können durch ihre Präsenz im Internet und ihre Teilnahme an Online-Rollenspielen massiv unter Druck geraten. Da Eltern aufgrund der eigenen Situation wenig Zeit haben, fehlt es häufig an elterlicher Kontrolle, woraufhin das Tun im Internet fern von Augen Erwachsener stattfinden kann. Viel zu junge Kinder spielen beispielsweise den Koop-Survival-Shooter Fortnite, der erst ab 14 Jahren empfohlen wird – oftmals nicht aus eigenem Antrieb heraus, sondern um innerhalb der Peergroup nicht auf- und damit aus dem Rahmen zu fallen.

Was aber kann man tun?

„Wird es je wieder normal sein?“, fragt der Achtjährige und meint mit „normal“ sein Leben vor Corona. Kindern fehlen viele Informationen, sie saugen Bruchstücke auf und nehmen alle Unsicherheiten wahr, die aufgrund der aktuellen Situation nicht aus dem Weg geräumt werden können. Manche Kinder sind überfordert von der Maskenpflicht, müssen laufend im Sinne des Abstandgebots ihren natürlichen Impuls unterdrücken, auch unter Körperkontakt mit den Freundinnen und Freunden zu spielen, zu toben, zu rangeln. In das Leben aller haben neue Zurechtweisungen Einzug gehalten, die von Kindern nicht immer begriffen oder akzeptiert werden.

 

Unter den Möglichkeiten, sich als Elternteil oder Betreuungsperson noch mehr unter Druck setzen zu lassen oder aber im Angesicht der Situation und der unzähligen neuen Herausforderungen zu resignieren, scheint keine erfreulich. An vorderster Stelle steht deshalb ein einfacher Rat: Geben Sie Ihrem Kind nie das Gefühl, dass es alleine ist. Achten Sie auf seine Tages- und insbesondere Online-Aktivitäten, um unerwünschte Erfahrungen zu vermeiden. Seien Sie als Ansprechperson stark und rigoros, wenn Sie Gruppenzwang und Druck wahrnehmen. Kontaktieren Sie, wenn nötig, die Eltern der anderen Kinder, klären Sie das Umfeld auf.

 

 

Es ist Gebot der Stunde, Kinder und Jugendliche altersadäquat über das Coronavirus und die -maßnahmen zu informieren und dies mit Problemlösungsansätzen zu kombinieren, die den natürlichen Optimismus der Kinder bestärken und ihnen positive Aussichten bieten. Kinder und Jugendliche dürfen sich dabei nicht von Informationen erschlagen und mit der Gesprächssituation überfordert fühlen. Hilfreich ist es, sie selbst sprechen zu lassen und Fragen aufmerksam anzuhören sowie diese bestmöglich zu beantworten. Nehmen Sie Ihr Kind ernst und bleiben Sie immer ehrlich. Wenn Sie etwas nicht wissen, dann sagen Sie das auch und überlegen gemeinsam, wer oder welches Medium eine Antwort geben könnte. Sorgen auch Sie sich, so leugnen Sie das nicht vor Ihrem Kind, bleiben Sie aber positiv und weisen darauf hin, dass die ganze Welt nach Lösungen sucht und es diese auch geben wird. 

Corona, die Maßnahmen und Veränderungen sollen nicht im Zentrum ihres Denkens und Tuns stehen, sondern Alternativen wie Bewegung, Sport, die Erfahrung alter oder neuer Hobbys, (Gesellschafts-)Spieleabende mit den Eltern, gemeinsames Kochen und Spazieren, Ausflüge, ein Resümieren über den Tag samt positivem Abschluss und Freude auf den nächsten Tag können auch bei Zeitmangel regelmäßig eingeführt werden. Wo Struktur und Sicherheit fehlen, sich Verhaltensvorgaben laufend ändern, müssen im privaten Umfeld Beständigkeit, Normalität und geregelte Alltagsstrukturen Einzug halten.

 

Sollte es wieder zu Kontaktverboten kommen, ermöglichen Sie Ihrem Kind, mit Freundinnen und Freunden und lieben Verwandten Kontakt zu halten. Freuen Sie sich mit Ihrem Kind, dass es dafür in der heutigen Zeit tolle Möglichkeiten gibt: Videotelefonie, Telefonate, Nachrichten, aber auch Althergebrachtes wie Briefe. Ihre Kinder können kleine Basteleien oder Zeichnungen für Freundinnen, Freunde, Großeltern gestalten und verschicken. Mit Freundinnen und Freunden können parallel zu Online-Treffen Brieffreundschaften etabliert werden, der regelmäßige Gang zum Briefkasten, um den Brief aufzugeben, bietet sich für einen kleinen Spaziergang an, die tägliche Nachschau, ob jemand geantwortet hat, bereitet Spannung und Freude. Halten Sie genügend Briefmarken bereit, um nicht zur nächsten Poststelle fahren zu müssen. 

Erwachsene als Vorbilder im Auf-sich-selbst-Schauen und Erholen

Ganz essenziell ist es, dass Erwachsene gut auf sich selbst achten. Wenn Sie selbst emotional an Ihre Grenzen geraten, ist es wichtig, sich Unterstützung zu holen, Coachings, Retreats, psychotherapeutische Behandlungen in Anspruch zu nehmen. Denn nur (psychisch) gesunde Eltern können ihren Kindern und Jugendlichen das bieten, was aktuell im schulischen und gesellschaftlichen Umfeld den Kürzeren ziehen muss: sich frei zu fühlen und sich (gemeinsam) entfalten zu können. Über Unterstützungsmöglichkeiten habe ich im vergangenen Monat berichtet: Krise im Außen und Krise im Innen: Wenn die (aktuellen) Mehrbelastungen Folgen haben – so finden Sie Hilfe 

 

 

Bei Fragen kontaktieren Sie mich bitte gerne, ich wünsche Ihnen alles Gute und: Bleiben Sie gesund!


LINK:

 

Ergebnisse einer Befragung der Kinderfreunde Österreichs zum Befinden der Kinder während des Lockdowns: https://de.surveymonkey.com/results/SM-H7L8GYLN7/

 

Bildquellen:

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