Seit März gehe ich in der Reihe „Resilienz: Das 'Immunsystem' der (Kinder-)Seele stärken“ darauf ein, wie wir die innere Widerstandsfähigkeit unserer Kinder im Alltag stärken können. Da es ganz eindeutig belegt ist, dass die stabile emotionale Bindung zu einer oder mehreren Bezugspersonen der wichtigste Faktor zum resilienten Kind ist, stelle ich diese Thematik im Mai in den Fokus. Neben allgemeinen Informationen gebe ich auch in diesem Artikel weitere Beispiele dafür, welches Verhalten sich positiv auf die innere Widerstandsfähigkeit von Kindern auswirken kann.
Emmy Werner entwickelte auf der Grundlage einer Langzeitresilienzstudie mit Kindern (vielfach aus schwierigen familiären Verhältnissen) Schlüsselfaktoren, die die Resilienz bei Kindern stärken:
Schlüsselfaktoren für resiliente Kinder
1. Emotionale Bindung: es gibt mindestens eine feste Bezugsperson
2. Intelligenz und Temperament: das Kind ist durchschnittlich intelligent und hat ein positives Temperament
3. Gesellschaftliche Unterstützung: das Kind erfährt Werte und Wertschätzung von außen
Die soziale Verwurzelung durch sichere emotionale Beziehungen zu Eltern, Verwandten, Nachbarinnen, Nachbarn, Freundinnen, Freunden oder zu Erziehenden schaffen auch bei belastenden Situationen eine günstige Ausgangslage. Diese Personen nehmen die stärkste Vorbildfunktion ein. Sie zeigen dem Kind erstmals, was Vertrauen und Selbstwirksamkeit bedeuten, lehren es im besten Fall Selbstständigkeit und geben ihm die Kompetenz, Situationen richtig einzuschätzen und ggf. um Hilfe zu bitten.
Da die kindliche Resilienz weitgehend davon abhängt, was das Kind bei Erwachsenen erfährt und beobachtet, spielen diese Bezugspersonen als Vorbilder eine wesentliche Rolle. Daher ist es wichtig, dass diese in sich schlüssig handeln, ihre Gefühle stimmig sind und sie selbst gefestigte Personen sind.
Wir müssen also nicht nur dort ansetzen, uns zu fragen: Was braucht unser Kind, welche Pädagogik passt zu uns, was ist der „richtige“ Erziehungsstil? Sondern es geht neben dem verlässlichen, feinfühligen und das Kind unterstützenden Erziehungsstil, der dem Kind Freiräume gewährt, aber auch freundlich, berechenbar und altersgemäß Grenzen setzt, ganz wesentlich darum, selbstreflektiert zu sein. Kinder orientieren sich an uns und unseren Handlungen, sie spüren die feinsten Nuancen, und hier ist es wichtig, auch negative Gefühle zu zeigen und diese nicht „in sich hinein zu fressen“ oder mit widersprüchlichen Handlungen zu überspielen versuchen, die nicht zur Situation oder „Stimmung“ passen. Nur so kann das Kind, das sehr feinfühlig ist und durch Beobachten lernt, ein gesundes Verhältnis zu seinen eigenen Emotionen aufbauen und lernen, dass es keine verbotenen Gefühle gibt.
Wir selbst sollten nicht: eigene Bedürfnisse (über einen längeren Zeitraum) unterdrücken (aber auch nicht von diesen total übermannt werden); Wut und negative Gefühle negieren bzw. unterdrücken oder überspielen; uns verstellen; widersprüchliches Verhalten zeigen
Wir selbst sollten: Werte und Eigenschaften, die wir den Kindern näherbringen möchten, selbst leben (z. B. Beziehungsfähigkeit, Eigenantrieb, Glaube, Hoffnung, Selbstständigkeit, Fantasie, Kreativität, Unabhängigkeit, Distanz, Humor, Kraft, Entschlossenheit, Verantwortungsbewusstsein, Aufrichtigkeit, Mut, Einsicht, Reflexion, Empathie, Selbstvertrauen, Ernährungseinstellungen uvm.); Resilienz bei Bedarf selbst erlernen (z. B. spezielle Kurse besuchen, um sich selbst und eigene Stärken besser zu kennen); sich seiner Gedanken und Gefühle bewusst sein und diese ausdrücken und reflektieren können; über eigene Gefühle sprechen, Gefühle ausdrücken; einen kompetenten Umgang mit Emotionen vorleben; optimistisch sein und die Überzeugung leben, dass das Leben lebenswert ist, viel Schönes bereithält und sich Krisen und Schwierigkeiten überwinden lassen
Zum Abschluss meiner Resilienz-Reihe weise ich gerne auf den umfangreichen und praxisorientierten Artikel von Barbara Perras hin und fasse unter Verweis darauf einige Tipps zur praktischen Resilienzförderung für (Klein-)Kinder zusammen (nach Barbara Perras, Resilienz praktisch, online):
· enge, stabile Bindung(en) anbieten und aufbauen
· Kontakt zu Tieren ermöglichen (Befriedigung von Körperkontakt und dem Wunsch nach einer stabilen „Freundschaft“)
· Humor gegen Kummer einsetzen
· mathematische Inhalte und Gesetzmäßigkeiten spielerisch einbauen und zeigen (Erfahrung von Beständigkeit, Verlässlichkeit und Wiederholbarkeit)
· Aktivität und Eigenständigkeit fördern durch Materialien, die
o über eine eigene „Fehlerkontrolle“ verfügen (z. B. Montessori-Material)
o während der Bearbeitungszeit Lust erleben lassen
o in kein Beurteilungsschema passen, weil sie Kreativität, Fantasie und Spontaneität zulassen
· Regeln und Grenzen als bekannte Abmachungen und keine willkürlichen Strafen einsetzen
· Abwertende Kritik vermeiden
· Eigenwillen nicht mit Ungehorsam verwechseln
· Gelegenheiten schaffen, um Gefühle ohne Einmischung durch Erwachsene erleben, ausdrücken und ausleben zu können
· Langeweile zulassen (Stärkung von Eigenaktivität und Selbsttätigkeit)
· freies, vom Kind selbst ausgehendes Spiel fördern:
o anregende Umgebung bieten, in der eigenes Spiel entfaltet werden kann
o sich nicht ins Spielgeschehen einmischen oder unnötig unterbrechen,
o nur dann Hilfestellung geben, wenn die Kinder ausdrücklich danach fragen,
o im Hintergrund bleiben,
o Kindern Zeit geben, eigene Lösungen zu finden,
o nie an den Werken von Kindern herumkorrigieren, weder mit Worten noch mit Händen
· Gesprächsbereitschaft zeigen (miteinander reden und zuhören) und fördern:
o Kind ernst nehmen,
o sich in seine Lage versetzen,
o nicht beschuldigen, kritisieren, drohen, warnen oder Ratschläge geben,
o Gefühle wahrnehmen und ansprechen
· Selbstständigkeit fördern: auf jedes „ich selber“ des Kindes hören, nie etwas für das Kind tun, was es selbst tun kann und tun möchte, und ihm Vertrauen schenken
· Konfliktfähigkeit fördern: streiten lernen, Konflikte austragen statt verdrängen
· Fantasie und Kreativität fördern: zahlreiche und vielfältige Sinneserfahrungen bieten (nicht auf das Kinderzimmer beschränken), z. B. Kochen, Gartenarbeit, Beeren und Pilze suchen, Einkäufe auf dem (Bauern-)Markt oder bei Gärtnereien. Weg von Schablonen und Uniformität (jeder macht das gleiche).
· Bewegung ermöglichen und fördern: Bewegung als „Tor zum Lernen“
· Erleben mit allen Sinnen stärken: ausprobieren und experimentieren ohne Erwachsene
· Naturerlebnisse hochhalten: Wald, Wiesen, Brachland, Hügel, Bäume, Felsen, Steine, Wasser in Pfützen, Bächen oder Teichen, Pflanzen und Tiere
· Freunde: Beziehungen zu anderen Kindern fördern
· Entscheidungsspielräume zulassen
· Übungen einbringen, mit welchen die Kinder ihre Körpermittellinie kreuzen, um beide Gehirnseiten gleichzeitig zu stimulieren: Geschichten, die es den Kindern ermöglichen, zwischen Wirklichkeit und Fantasiewelt beliebig hin und her zu wechseln, fördern die Verbindung zwischen den logischen und den kreativen Teilen des Gehirns.
Auf meiner Homepage finden Sie nicht nur die einzelnen Themen, zu denen ich Unterstützung und Übungen anbiete, sondern auch unterschiedliche psychotherapeutische Methoden erläutert, mit denen ich arbeite. Sollten Sie Fragen haben, kontaktieren Sie mich bitte gerne.